Motorroller: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 4. April 2009, 00:27 Uhr
Motorroller sind motorisierte Zweiräder, die gegenüber Motorrädern folgende zusätzliche Eigenschaften haben:
- Sie haben in der Regel eine Karosserie und bieten dadurch einen recht guten Wetterschutz.
- Sie werden nicht mit Knieschluss gefahren, das heißt es gibt einen Durchstieg zwischen Sitzbank und Frontkarosserie: nur dieses Kriterium wird in der DIN-Normung herangezogen.
- Sie haben meistens Stauraum in Form eines Helmfachs oder Handschuhkastens.
- Sie haben – zumindest in den jüngeren Baujahren – Variomatikgetriebe.
- Bei Modellen mit Schaltgetriebe wird mit der linken Hand geschaltet und nicht mit dem Fuß (wenige Ausnahmen, zum Beispiel Zündapp Bella und Simson).
Am meisten verbreitet sind Zweitakter, die aber in vielen Ländern durch modernere Viertakter ersetzt werden. Die Betriebserlaubnis beziehungsweise Fahrerlaubnis wird im Gegensatz zu Motorrädern nicht nach der Leistung, sondern der Höchstgeschwindigkeit bemessen. Beispiele für verschiedene Klassen nach Höchstgeschwindigkeit eingeteilt sind Mofa-Roller mit 25 km/h beziehungsweise vereinzelt noch zugelassen bis 30 km/h und Mokick-Roller mit 45 km/h beziehungsweise vereinzelt noch zugelassen bis 50 km/h (oder DDR-Modelle wie Schwalbe oder Simsons S-Reihe bis 60 km/h sogar mit Klasse-M-Führerschein, wenn diese vor dem 28. Februar 1992 erstmalig in Verkehr gebracht wurden). Dazu gibt es noch die 80er beziehungsweise 125er (Leichtkraftrad mit einer Leistung um 15 PS) bis zu Groß-Rollern mit einem Hubraum von 250 cm³ bis 840 cm³ und einer maximalen Leistung (2007) von 75 PS.
Außerdem gibt es neben Motorrollern mit Verbrennungsmotor auch Elektro-Roller.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der vermutlich erste Motorroller deutscher Produktion – damals „Motorläufer“ genannt – wurde 1919 von Krupp in Essen herausgebracht; dieser einsitzige Kleinroller von nur 130 cm Gesamtlänge hatte Vorderradantrieb. 1920 bis 1923 brachte die Firma Viktor Klassen in Niedersedlitz Motorläufer mit 252-cm³-Viertaktmotor und Zweiganggetriebe heraus. Ebenfalls bis 1923 baute die Motorenfabrik Franz Tautz in Leipzig-Gohlis Motorläufer mit DKW-Zweitaktmotor. Im gleichen Zeitraum entstanden drei Modelle bei der Autoflug OHG in Berlin-Johannisthal. „Golem“ nannte DKW sein ab 1921 gefertigtes „Sesselmotorrad“ mit liegendem 122-cm³-Zweitaktmotor, dessen Produktion dann an die Berliner Firma Eichler abgegeben wurde, die sie 1923 einstellte. Ebenfalls einen Riemenantrieb, aber bereits einen blechverkleideten Motor besaß das 1922 entstandene DKW-Sesselmotorrad „Lomos“ mit 142-cm³-Zweitaktmotor; auch diese Produktion wurde an Eichler abgegeben, sie endete 1924. Beide DKW-Modelle hatten eine Vorderradfederung mit Kurzschwinge.
Erfolgreich gemacht haben den Motorroller vor allem die italienischen Unternehmen Piaggio seit 1948 mit der Vespa und Innocenti mit der Lambretta (seit 1947). Der Legende nach stammt die typische Form des Vorderrades vom Fahrwerk eines ausgedienten Kriegsflugzeuges. Diese Bauweise wurde bis heute von vielen Herstellern übernommen. Einer der ersten deutschen Roller nach dem Krieg (1949) hieß Walba (später FAKA). Der erste Rollerboom war in den Jahren des Wirtschaftswunders. Weitere deutsche Marken waren das Maicomobil, der Heinkel Tourist, die Zündapp Bella, die Dürkopp und die Schwalbe in der DDR.
Insbesondere ist der Motorroller bei Frauen beliebt, da er im Gegensatz zum Motorrad auch mit Rock gefahren werden kann und einen gewissen Schutz gegen Schmutz und Nässe bietet.
Heute hat der Roller die bis in die 1980er-Jahre übliche motorradähnliche Bauform für 50er nahezu vollständig verdrängt. Die Gründe hierfür sind vor allem:
- Die Hauptzielgruppe, zwischen 16 und 18 Jahre alte Jugendliche, sind empfänglicher für modischere Gestaltung, die die Motorroller gegenüber den Mokicks aufweisen. Zudem sind die wenigen verbliebenen Mokicks klassischer Bauform im Vergleich zu den meisten Rollern relativ teuer.
- Die Industrie schaffte es Anfang der 1990er, dem Motorroller ein neues Image zu geben. Galt er vorher noch als reines „Frauenfahrzeug“ und wurde von der zahlenmäßig größeren männlichen Kundschaft gemieden, so wird er nun bis heute vor allem als „Scooter“ und „Cityflitzer“ verkauft; die Technik wird im Gegensatz zu den Mokicks nicht mehr in den Vordergrund gestellt, sondern eher hinter Plastikverkleidungen versteckt. Auch das Aufkommen hubraumstarker Roller wie des Honda CN 250 Helix trug zur größeren Verbreitung des Motorrollers bei.
Diese Entwicklung begann praktisch erst mit dem Ende der drei deutschen Motorradhersteller Zündapp, Hercules und Kreidler, die ihr Hauptgeschäft seit Mitte der 1960er-Jahre im Kleinkraftrad-Sektor hatten, Roller aber nur als Randmodelle oder gar nicht (Kreidler) anboten.
Hersteller und Marktsituation
Die meisten Motorroller kommen heute aus Fernost – hauptsächlich aus Südkorea, Taiwan und China. Sie sind entweder Eigenentwicklungen oder werden mit Lizenzen zum Beispiel von Honda, Yamaha oder Sachs gefertigt. Wenige Hersteller fertigen in Europa, zum Beispiel in Italien (Aprilia, Gilera, Italjet, Honda, Piaggio, Benelli, Malaguti) und Frankreich (MBK beziehungsweise Yamaha, Peugeot) und konnten sich bis heute am Markt halten.
Deutsche Fabrikate, früher bekannt unter den Namen Heinkel, Zündapp, NSU, Maico, Simson und anderen, sind vom Markt verschwunden, ebenso amerikanische Modelle wie Wyse. Heute wird der Markt der 50-cm³-Zweitakter dominiert von Aprilia, CPI, Daelim, Gilera, Italjet, Kymco, MBK, Peugeot, Piaggio, Rex, SYM, TGB und Yamaha (in alphabetischer Reihenfolge, nicht nach Marktanteilen).
Bei den größeren Rollern, für die ein Motorradführerschein notwendig ist, spielen Yamaha (TMAX), Honda (Silver Wing) und Suzuki (Burgman Executive) eine große Rolle. Die Höchstgeschwindigkeit der stärksten Roller liegt bei bis zu 200 km/h, bei einer Beschleunigung in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Konstruktion
Kraftübertragung und Motor
Traditionell bilden bei vielen Rollern Motor und Getriebe eine Einheit. Klassische Roller haben meist Handschaltung oder eine Schaltwippe, um die Schuhe zu schonen.
Seit den 1990er-Jahren ist die Kombination von Vollautomatik (Variomatik) und Triebsatzschwinge sehr beliebt und hat durch seine preiswerte Herstellung die Roller als Kurzstreckenfahrzeug auch in Deutschland wieder populär gemacht. Fahrdynamisch ist die Triebsatzschwinge problematisch, da Antrieb und Kraftübertragung hierbei komplett zu den ungefederten Massen gehören; dies wirkt sich bei schlechten Straßen negativ auf das Fahrverhalten aus. Außerdem ist es so meist nötig, dem Motor eine Zwangskühlung (z. B. Lüfterrad/Gebläsekühlung) anzubauen, die einen höheren Verbrauch verursacht, was prinzipbedingt auch für die Variomatik gilt. Dafür haben die Hersteller die Möglichkeit, den Triebsatz komplett bei einem Zulieferer zu kaufen und nur noch in ein eigenes Fahrwerk zu montieren.
Die meisten Roller werden von Einzylindermotoren angetrieben. Wegen der verschärften Abgasvorschriften (EU-Richtlinien 97/24/EC und 2002/51/EC) scheinen die Tage der Zweitakter gezählt, obwohl diese noch wesentlich höhere Schadstoff-Emissionen als bei PKW zulassen. Zweitaktmotoren werden vermehrt durch Viertaktmotoren ersetzt. Allerdings gibt es inzwischen Einspritzanlagen und Katalysatoren, mit denen auch bei Zweitaktern die neuen Grenzwerte eingehalten werden können. Auch Maßnahmen zur Reduktion der Spülverluste können den hohen Schadstoff-Ausstoß etwas mindern.
Die Vorteile eines Zweitakters sind die höhere Leistung bei niedrigeren Drehzahlen, daraus resultierend eine bessere Beschleunigung, generell ein breiteres nutzbares Drehzahlband, das geringere Gewicht, geringere Vibrationen sowie die einfache und kostengünstige Wartung. Der Viertakter hingegen ist weniger umweltschädlich, da das Schmieröl nicht mitverbrannt wird.
Bei Zweitaktern gab es prinzipbedingt das Komfortproblem, dass dem Treibstoff Motoröl beigefügt werden muss (Zweitaktgemisch). Beim Viertakter muss man dagegen darauf achten, dass genügend Öl in der kleinen Ölwanne ist. Das Problem des Zweitakters verminderte sich allerdings durch Öltanks und automatische Mischung bei Motoren ab den 1980ern. Dank Öltanks bis etwa 1,3 Liter stellt dies bei modernen Roller tatsächlich kein Komfortproblem mehr dar; in der Praxis bedeutet das ein Öl-Nachfüllen alle paar Monate oder Wochen. Die regelmäßige Ölstandskontrolle entfällt dank Warnleuchten im Cockpit. Für Roller und Mofas ohne Öltank stellen viele Tankstellen vorbereitete Zweitakt-Gemische mit 1:25, 1:50 oder 1:75 (ein Teil Öl auf 75 Teile Benzin) bereit. Damit entfällt das Mischen von Hand.
Katalysatoren werden seit 1999 nicht mehr nur in Viertaktern, sondern auch in Zweitaktern eingebaut (zum Beispiel Yamaha Aerox 50 Cat).
Bei großen Rollern ab 125 cm³ dominieren die Viertakter deutlich, die mittlerweile auch in immer mehr 50-cm³-Rollern eingesetzt werden. Besonders leistungsstarke Modelle besitzen auch zwei Zylinder (zum Beispiel Yamaha T-max, Suzuki Burgman AN650, Honda Silver Wing; alle drei liegen in der Höchstgeschwindigkeit bei etwa 175 km/h und beschleunigen in 6,5 bis 8 Sekunden auf 100 km/h). Der zurzeit größte erhältliche Roller ist der Gilera GP 800 mit 839 cm³ und 55kW (75PS) Motorleistung und einer Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h.
Eine Neuheit (Stand 2007) im Motorrollerbau ist das von Suzuki entwickelte SECVT (Suzuki Electronically controlled Continuously Variable Transmission)-Getriebe, welches dem Fahrer die Wahl zwischen Anwendung der manuellen Schaltung der fünf „Gänge“ per Knopfdruck oder Fahren mit Automatikgetriebe lässt. Diese Kraftübertragung ist gar kein Getriebe im klassischen Sinne, sondern eine Riemenscheibenkraftübertragung, wie man sie früher auch bei Automobilen von DAF (Dafodil) kannte.
Fahrwerk
Grundsätzlich lassen sich zwei Konstruktionsweisen unterscheiden:
- Rahmen mit Verkleidung aus Kunststoff (die weitaus meisten heute auf dem Markt verfügbaren Roller) oder aus Blech (zum Beispiel Schwalbe, Zündapp R 50)
- Selbsttragende Blechkarosserie (zum Beispiel Vespa-Klassiker und heutige ET- und GT-Baureihe)
Für die Hinterradführung kommt heute meist eine Triebsatzschwinge zum Einsatz, das Vorderrad wird entweder in einer Schwinge (gezogene Kurzschwinge, zum Beispiel Vespa) oder – sehr viel häufiger – in einer Teleskopgabel (zum Beispiel Suzuki Burgman) geführt. Die Räder sind teils klein (9 bis 12 Zoll), teils groß (14 bis 16 Zoll). Kleine Räder benötigen weniger Platz, das Helmfach kann somit größer ausfallen, das Fahrzeug wird wendiger und kann auf engem Raum rangiert werden. Die Roller mit 16-Zoll-Rädern werden auch Großradroller genannt. Mit größeren Rädern werden Bodenunebenheiten besser überrollt und die Kreiselstabilität nimmt infolge größerer Massen zu. Das Staufach hat bei diesen Rollern aber nicht immer eine ausreichende Größe, um einen Integralhelm aufzunehmen.
Tuning
Unter Tuning versteht man technische oder auch optische Veränderungen am Fahrzeug. Für veränderte Schaltroller siehe Custom Roller. Für veränderte Automatikmokicks siehe Automatikmokickrollertuning.
Motorroller-Kultur
Einige Motorrollerfahrer nennen sich auch Scooterists oder Scooterboys (von engl. Scooter=Roller). Scooterists bevorzugen normalerweise Blechroller mit Schaltgetriebe, da es sich um einen Trend mit starken Traditionen handelt. Viele Scooterists haben sich auch in Scooter Clubs (S.C.) oder Roller Klubs (R.K.) zusammengefunden und organisieren Treffen, Allnighter oder Rennveranstaltungen wie die Euro Scooter Challenge.
Markenklubs
Es gibt markenbezogene Clubs, von denen der LCD (Lambrettaclub Deutschland e. V.) sicher einer der größten ist. Ebenso gibt es den VCVD (Vespa Club von Deutschland e. V.) oder die den Heinkel-Club Deutschland usw. Des Weiteren gibt es zahlreiche inoffizielle und markenunabhängige Scooter Clubs.
Aktuelle Rollermarken
Historische Rollermarken
Literatur
Zum Thema Motorroller gibt/gab es diverse Fachzeitschriften, zum Beispiel Roller Spezial (2004 eingestellt), Motoretta, Scooter & Sport und Rollerfahrer (seit 2007).
- Frank Rönicke: Deutsche Motorroller seit 1894. Motorbuch, Stuttgart 2007, ISBN 3-613-02729-1
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